Normalerweise müsste Hertha heute Abend im Pokal-Achtelfinale in Nürnberg ausscheiden, weil a) Nürnberg Zweitligist ist, b) Hertha in der Liga so gut spielt, c) Finanzvorstand Schiller nur (!) drei Runden einkalkuliert hat und über Weihnachten keinen Nachtragshaushalt erstellen will und d) Hertha vorsichtshalber Elfmeterschießen geübt hat. Und da im Pokal weder BGB noch das Grundgesetz, sondern bekanntermaßen eigene Gesetze gelten, kehren sich die Dinge, die sonst für ein Weiterkommen sprächen, ins Gegenteil um. Der kurzfristig denkende Hertha-Fan schiebt die eventuelle Niederlage natürlich auf das Lospech, das schon wieder („immer“) ein Auswärtsspiel ergeben hat. Stimmt das mit dem Lospech eigentlich oder handelt es sich nur um eine vorübergehende Erscheinung?
Mit Hilfe des guten alten Kicker-Almanachs sehen wir uns mal Herthas Pokal-Geschichte an:
Seit dem ersten Spiel 1935 („Tschammer-Pokal“), das 2:1 in Bitterfeld gegen den örtlichen VfL gewonnen wurde (auswärts!!!), hat Hertha bis zum Sieg gegen den FSV Frankfurt 164 Spiele bestritten (einschließlich Wiederholungs- oder Rückspielen), wobei es 58 Heimspiele, 103 Auswärtsspiele und 3 Finalspiele in Hannover gab. Gemein! Allerdings relativiert sich die Ungerechtigkeit, wenn man bedenkt, dass seit geraumer Zeit die Mannschaften ab der dritten Liga Heimrecht haben und wenn Hertha dann gleich mal ausscheidet, es quasi unmöglich ist, ein Heimspiel zu haben. Trotzdem gibt es ein Übergewicht an Auswärtsspielen, das sich statistisch in hundert oder zweihundert Jahren den Regeln der Wahrscheinlichkeit entsprechend sicher ausgleichen wird. Nützt uns natürlich momentan nichts, wenn das dritte Spiel hintereinander gegen einen Zweitligisten als Auswärtsspiel gelost wird.
Wenn über Herthas Pokalkomplex philosophiert wird, kann es sich nur um die letzten zwanzig Jahre handeln, da die meisten Anhänger sowieso nicht weiter zurückdenken (können). Insgesamt hat Hertha nämlich 92 Siege errungen, bei 11 Unentschieden (es gab ja zeitweise Hin- und Rückspiele und kein Elfmeterschießen, sondern Wiederholungsspiele, wenn es nach 120 Minuten Unentschieden stand) und 60 Niederlagen (wobei hier, entgegen sonstigen Statistiken, Spiele, die erst im Elfmeterschießen entschieden wurden, als Sieg oder Niederlage gewertet wurden). Ein Spiel fehlt: 1938 verzichtete Hindenburg Allenstein in der zweiten Runde und Hertha war kampflos weiter. Vorbildlich faire Einstellung der Ostpreußen!
Im Ligaalltag wäre dieses Sieg-Unentschieden-Niederlage-Verhältnis ein 4. – 7. Platz. Also sooo schlecht ist Herthas Pokalbilanz gar nicht.
Herthas beste Pokaljahre und die Pokalspiele seit 1990 sehen wir uns im nächsten Blog mal genauer an.