Sami Khediras Kreuzband ist gerissen. Schlimm für ihn, seinen Arbeitgeber Real Madrid und die Chancen der deutschen Fußballnationalmannschaft auf den WM-Titel 2014. Eine merkwürdige Häufung von Kreuzbandrissen in den letzten Jahren fällt auf: Subotic, Baumjohann, Lasogga und wie sie alle heißen. Früher, in den Anfangsjahren der Bundesliga, gab es keine Kreuzbandrisse, wurden zumindest als solche nicht diagnostiziert bzw. publik gemacht. Dafür war früher der Achillessehnenriss beliebt, der in den sechziger Jahren meist das Karriereende bedeutete, bis Uwe Seeler diese Regel ad absurdum führte: Im Februar 1965 Riss der Achillessehne (erst ausgelacht, als er ohne Gegnerberührung in den Frankfurter Schnee fiel und sich darin wälzte, danach geschockt und voller Scham mit Applaus verabschiedet, als er vom Platz getragen wurde), im September 1965 Siegtorschütze im WM-Qualifikationsspiel in Stockholm, der die Teilnahme an der WM 1966 und somit das Wembley-Tor erst ermöglichte. Das war das Ende des Mythos’ von Achillessehnenrissen. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten hat man von einer solchen Verletzung nichts mehr gehört. Offensichtlich aus der Mode gekommen.
Was in den Achtzigerjahren die Patellasehnenentzündung war, die jeder Spieler, der etwas auf sich hielt, zumindest in der Saisonvorbereitung vorweisen konnte, wurde in den Neunzigern von der markigen Schultereckgelenksprengung abgelöst. Kommt heute so gut wie nicht mehr vor. Auch die gute, alte Adduktorenzerrung, die vor zehn, fünfzehn Jahren gerne genommen wurde, ist heute annähernd ausgestorben. Selbst der Syndesmosebandanriss wird seit Ballacks Verletzung vor der WM 2010 gnadenlos boykottiert.
Jetzt hat also der Kreuzbandriss Konjunktur. Falsches Schuhwerk, modernes, ultraschnelles Spiel mit großer Laufleistung, falsche Gymnastik? Die Gründe für die jeweils zeitgemäße Verletzung können vielfältig sein. Aber ein Hoffnungsschimmer bleibt: Wie Ballacks Ausfall 2010 letztlich eine Leistungssteigerung der Nationalmannschaft zur Folge hatte, ist vielleicht auch Khediras wahrscheinliches Fehlen bei der WM 2014 ein gutes Omen. Brasilien, wir kommen…