Man kennt die Geste: Der Spieler erzielt ein Tor, rennt Richtung Eckfahne und küsst das Vereinswappen, bei der Hertha die Fahne. Soll bedeuten: Oh, wie liebe ich diesen Verein, dir werde ich immer treu sein…Die Halbwertszeit dieser Gesten beträgt normalerweise die Zeit, die noch bis zum Schlusspfiff des Schiedsrichters verbleibt. Am selben Abend kann es schon das Treffen des Spielers mit dem Berater und Funktionären eines anderen Vereins geben, auf dem über den Wechsel zu wahrscheinlich lukrativeren Fleischtöpfen verhandelt wird.
Bence Dardai und Ibrahim Maza, beide stolze 18 Jahre alt, werden Hertha BSC, den Verein, der sie geformt und bis in die erste bzw. zweite Liga des Profifußballs geführt hat, wahrscheinlich zum Saisonende verlassen. Ein herber Rückschritt auf dem Berliner Weg, der in dieser Übergangssaison bis zu sieben in Berlin geborene und hier ausgebildete Spieler in die Mannschaft gebracht hat? Ja und nein. Natürlich wäre es schade, wenn ein so überragendes Talent wie Maza ( Bence Dardai blieb es in seinen bisherigen Profieinsätzen meist schuldig) den Verein verlassen würde. Andererseits kommen auch wieder andere Spieler nach und drängen nach oben.
Über die charakterlichen Qualitäten solcher jungen Leute muss man sich keinerlei Illusionen machen. Wenn man bei der erstbesten Gelegenheit nach dem großen Geld schielt und die bisherige Lebensvergangenheit in die Tonne tritt (die überragende Nachwuchsarbeit bei Hertha hat ja das Interesse anderer Vereine erst möglich gemacht), würde man auch in der Zukunft vielleicht mehr Enttäuschungen als Erfolge bringen.
Warum können diese Menschen nicht ein, zwei Jahre warten? Wenn dann der Aufstieg von Hertha partout nicht klappen sollte, kann man immer noch in jungen Jahren wechseln. Etwar anders stellt sich die Situation bei Fabian Reese dar, der mit 26 Jahren nicht mehr sooo viel Zeit hat für die ganz große Karriere. Ihm dürfte man einen Wechsel, auch schon zum Saisonende, nicht übelnehmen.
Was ist denn aus den Spielern geworden, die Hertha groß gemacht hat und die bei erster Gelegenheit von Bord gingen?
Ein Sascha Bigalke wurde immerhin ein guter Drittligaspieler bei Unterhaching. Christopher Schorch ging zu Real Madrids zweiter Mannschaft und versaute sich dort die Karriere, Lazar Samardzic wollte bei RB Leipzig groß rauskommen. Hört man noch was von ihm? Yanni Regäsel ging zur Frankfurter Eintracht und ging dort unter. Genau wie letztens der Fahnenküsser Ngangkam, der ganz begeistert nach den ersten Wochen in Frankfurt war und jetzt schon weiterverliehen wurde.
Einzig Luca Netz spielt regelmäßig bei Gladbach und ein Hany Mukhtar ist zumindest in den USA eine große Nummer. Auch Arne Maier, den viele schon als kommenden Nationalspieler sahen, spielt immerhin meist bei Augsburg in der ersten Liga, wenn er nicht verletzt ist.
In der Mehrzahl der Fälle geht ein Wechsel in die Fremde mit so jungen Jahren schief. Wir werden den Weg von Bence Dardai und Maza aufmerksam verfolgen und unsere Schadenfreude nicht verbergen, wenn dieser Weg ins Abseits führt.
Der Konstrukteur der diesjährigen Meistermannschaft, Simon Rolfes von Bayer Leverkusen, empfahl Nachwuchsspielern mal, dass sie in den ersten Profijahren mit einem Lehrergehalt (das für einen Teller warme Suppe zum Mittag angeblich ausreichen soll) auskommen und den Rest vernünftig anlegen sollten. Aber Rolfes ist ein intelligenter und vernunftbegabter Mensch. Von Spielern, die mit 18 Jahren nur auf die erste Million auf ihrem Konto schauen, kann man das nicht unbedingt behaupten…